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Ein Kommentar von Jumana Saleheen, Chief Economist, Vanguard Europe
Für Anleger:innen war 2022 in vielerlei Hinsicht ein annus horribilis: In Europa ist ein Krieg ausgebrochen, die Inflation – über viele Jahre kaum wahrnehmbar – hat Rekordhöhen erreicht, die Zentralbanken haben mit der restriktivsten Geldpolitik seit den Siebzigerjahren reagiert. Sichere Häfen gab es kaum, sowohl die Aktien- als auch die Anleihemärkte beendeten das Jahr mit zweistelligen Verlusten und dem schwächsten Ergebnis seit Jahrzehnten.
Die Ereignisse der vergangenen Jahres haben viele Anleger:innen nachdenklich gestimmt. In diesem Artikel gehen wir auf die wichtigsten Fragen ein, die das vergangene Jahr aufgeworfen hat, und erläutern, wie sie Wirtschaft und Märkte in diesem Jahr beeinflussen könnten.
Perspektivwechsel: Was wichtig war, was wichtig wird
Quelle: Vanguard
Die wichtigste Frage des Jahres 2022 lautete: Wie hoch wird die Inflation steigen? Heute dagegen stellen sich viele Anleger:innen die Frage: Wie lange wird die Inflation über der Zielmarke von 2% verharren? Die Antwort hängt von der Arbeitsmarktentwicklung und dem Lohnwachstum ab.
In den USA, in Großbritannien und im Euroraum hat die Inflation im vergangenen Jahr den höchsten Stand seit Jahrzehnten erreicht, dürfte jedoch inzwischen wieder nachlassen. Wie lange die Inflation über dem Zielwert der Zentralbanken bleiben wird, hängt von dem Inflationsdruck ab – und der lässt sich am besten am Lohnwachstum ablesen. 2023 stehen daher die Lage am Arbeitsmarkt und das Lohnwachstum im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Wir gehen davon aus, dass das Lohnwachstum von derzeit 5 bis 6% auf 3 bis 4% sinken muss, um das Inflationsziel der Zentralbanken nicht zu gefährden.
Gegen Ende 2023 rechnen wir mit einer Inflationsrate von 3,0% in den USA, 3,4% im Euroraum und 4,4% in Großbritannien. Anders ausgedrückt: Einen Rückgang der Inflation auf den Zielwert von 2% erwarten wir frühestens 2024 oder Anfang 2025.
2023: unser Basisszenario
* BIP-Wachstum in den USA ist definiert als die Veränderung des Bruttoinlandsprodukts im vierten Quartal gegenüber dem Vorjahresquartal. Für alle anderen Länder und Regionen ist BIP-Wachstum definiert als die Veränderung der jährlichen Wirtschaftsleistung im Prognosejahr gegenüber dem Vorjahr.
Quelle: Vanguard. Vanguard Marktausblick 2023: Kampf gegen die Inflation, Dezember 2022.
2022 wollten die Märkte vor allem wissen, wie hoch die Zinsen steigen werden. 2023 geht es eher darum, wann sie ihren Höchststand erreichen werden – und ob sie danach wieder fallen.
Damit sich die hohe Inflation nicht festsetzt, haben US-Notenbank (Fed), Europäische Zentralbank (EZB) und Bank of England ihre Leitzinsen so massiv erhöht wie seit den Siebzigerjahren nicht mehr. Letztlich dürften sie damit Erfolg haben, allerdings auf Kosten des Wachstums.
Zinserhöhungen seit 1970
Quelle: Bloomberg und Bundesbank; Stand: 6. Januar 2023. Hinweis: Deutsche Diskont- und Lombardsätze vor 1999.
Insbesondere in den USA bewerten die Finanzmärkte die Inflationsaussichten optimistischer als die Zentralbanken, weshalb sie bereits eine Zinssenkung der Fed Ende 2023 eingepreist haben. Angesichts der aktuellen Preis- und Lohnentwicklung gehen wir jedoch davon aus, dass die großen Zentralbanken die Zinsen weiter anheben und in diesem Jahr nicht mehr senken werden. In den USA erwarten wir in unserem Basisszenario einen Höchststand1 von 5 bis 5,25%, in der Eurozone und in Großbritannien rechnen wir mit 3,5 bzw. 4,5%.
Die hohe Inflation und die steigenden Zinssätze belasten das verfügbare Realeinkommen der Haushalte und nährten 2022 die Angst vor einer Rezession. 2023 fragen sich Anleger:innen dagegen, wie tief die Rezession wird.
Die Antwort: Womöglich steht uns eine „Zoom-Rezession“2 bevor. Vor allem in den USA haben bestimmte Branchen wie Immobilien, Transport und Lagerhaltung sowie IT von der Pandemie und den Kontaktsperren profitiert, Unternehmen aus diesen Sektoren haben daher womöglich zu viele Mitarbeiter eingestellt. Andere Sektoren gehörten dagegen zu den Pandemieverlierern und haben zu wenig Personal eingestellt, darunter Unternehmen in den Bereichen Bildung, Gesundheit sowie Freizeit und Gastgewerbe.
Die „Normalisierung“ der Wirtschaft nach der Pandemie in diesem Jahr dürfte vor allem Sektoren betreffen, die von der Pandemie profitiert haben; im Gegenzug sollte der Personalmangel in anderen Sektoren nachlassen.
Der Vanguard Frühindikator deutet auf eine Rezession in Großbritannien und im Euroraum in diesem Jahr hin, in den USA erwarten wir zur Jahresmitte eine leichte Rezession. Aktuelle Konjunkturdaten haben die Erwartungen jedoch übertroffen, die Rezession könnte also milder ausfallen und einige Länder sogar knapp an einem Rückgang ihrer Wirtschaftsleistung vorbeischrammen.
2022 war ein schlechtes Jahr für Aktienanleger:innen: US-Aktien warfen 2022 eine Rendite von -18,11% ab, europäische und britische Aktien 0,34% bzw. -10,14% (in lokaler Währung).3 Viele Anleger:innen fragen sich, ob die Talsohle inzwischen erreicht ist. Ein Blick zurück verrät, dass sich Wendepunkte am Aktienmarkt kaum bis gar nicht vorhersagen lassen.
In den USA – mit mehr als der Hälfte der globalen Aktienmarktkapitalisierung der größte Aktienmarkt der Welt4 – sind die Aktienkurse noch immer nicht deutlich unter den Fair Value gefallen, was in Rezessionsphasen eigentlich üblich ist. Hier sind weitere Verluste daher durchaus möglich.
Weltweit nähern sich die Bewertungen jedoch ihrem Fair Value an, und auch unsere langfristigen Aktienmarktprognosen sind dank niedrigerer Bewertungen und höherer Zinsen gestiegen. Anleger:innen sollten kurzfristige Über- oder Unterbewertungen jedoch nicht als Handlungsaufforderung interpretieren. Wir empfehlen vielmehr eine robuste und global diversifizierte Anlagestrategie, die auf die eigenen Ziele und Vorgaben abgestimmt ist.
2022 haben die Zentralbanken die Zinsen deutlich angehoben – und damit einen Kurseinbruch an den Anleihemärkten ausgelöst. Nach dem schwächsten Jahr seit Jahrzehnten wollen Anleiheinvestor:innen natürlich wissen, ob 2023 anders sein wird.
Jährliche Anleiherenditen im Vergleich
Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für künftige Erträge.
Hinweise: Wertentwicklung von Anleihen gemessen am Bloomberg Global Aggregate Index in Euro von 2000 bis 30. Juni 2022 (in USD). Jede Linie stellt die Wertentwicklung des Anleihemarktes in einem bestimmten Jahr dar: Die rote Linie zeigt die Wertentwicklung im Jahr 2022, die schwarzen Linien die der Jahre 2020 und 2007; die grauen Linien zeigen die Wertentwicklung für alle anderen Jahre seit 2000. Renditen seit Jahresbeginn per 31. Dezember 2022. Quelle: Bloomberg & Vanguard; Stand: 5. Januar 2023.
Steigen die Zinsen, fallen die Anleihekurse, und zwar sofort. Allerdings können Anleger:innen die Cashflows zu höheren Zinsen reinvestieren. Und bei einem entsprechend langen Anlagehorizont sollten die höheren Erträge aus den höheren Kuponzahlungen die Kursverluste daher ausgleichen, was für höhere Gesamtrenditen spricht.
Nachdem die Zinsen ein Jahrzehnt lang nahe der Nullgrenze lagen, erwarten wir außerdem ein Phase höherer Zinssätze, was höhere Anleiheverzinsung einschließt – und damit auch bessere Aussichten für Anleiheinvestor:innen. Eine Kurserholung an den Anleihemärkten könnte einsetzen, sobald die Märkte zuversichtlich sind, dass die Zinsen nicht weiter steigen.
2022 sind die Kurse an den Aktien- und Anleihemärkten gleichzeitig gefallen,5 einige Anleger:innen stellen daher die Rolle von Anleihen in ihren Portfolios infrage. Wir sind jedoch überzeugt, dass Anleihen weiterhin zur Stabilisierung eines Portfolios beitragen und Aktienmarktrisiken langfristig diversifizieren können.6
Auch 2023 könnte ein unruhiges Jahr an den Aktien- und Anleihemärkten werden. Dennoch gehen wir davon aus, dass Multi-Asset-Anleger:innen mit Geduld und einem strategischen, global diversifizierten Aktien-/Anleiheportfolio langfristig belohnt werden. Tatsächlich haben wir unsere langfristigen Prognosen für beide Assetklassen seit dem vergangenen Jahr angehoben. Da sich der genaue Zeitpunkt einer Kurserholung jedoch kaum vorhersehen lässt, empfehlen wir Anleger:innen, Kurs zu halten und eine langfristige Perspektive zu wahren, denn so haben sie aus unserer Sicht die besten Erfolgsaussichten.
1 Der Höchststand entspricht dem Zinssatz, den Zentralbanken zum Ende des Zinserhöhungszyklus anstreben.
2 Zoom ist ein US-amerikanischer Anbieter von Videokommunikationstechnologie und gehört zu den Unternehmen, die von den Folgen der Kontaktsperren profitiert haben. Der Begriff „Zoom-Rezession“ wird in diesem Artikel jedoch allgemeiner und auf mehrere Sektoren angewendet, die von der Pandemie profitiert haben.
3 Quelle: Berechnungen von Vanguard auf Grundlage von Daten von Refinitiv. Der S&P 500-Index, der FTSE All-Share Index und der Stoxx Europe 600 Index erzielten im Jahr 2022 eine Rendite von -18,11%, 0,34% bzw. -10,14% (Gesamtrendite in Landeswährung).
4 Quelle: Vanguard. Per 31. Dezember 2022 entfielen 58,9% der Marktkapitalisierung des FTSE Global All Cap Index auf Unternehmen mit Sitz in den USA.
5 Berechnungen von Vanguard in GBP, basierend auf Daten von Refinitiv; Stand: 31. Oktober 2022. Globale Aktien und Anleihen werden dargestellt durch den MSCI AC World Total Return Index Sterling bzw. Bloomberg Global Aggregate Index Sterling Hedged.
6 Quelle: Vanguard. Vanguard Marktausblick 2023: Kampf gegen die Inflation, Dezember 2022. Da Anleihen weniger volatil sind, konnten sie trotz der einmaligen Verkaufswelle im Jahr 2022 die Renditen eines Portfolios verbessern. Unsere Analysen (Wu et al., 2021) zeigen, dass die Asset-Allokation bei langfristigen Renditeprognosen wichtiger ist als Korrelationen.
Wichtige Hinweise zu Anlagerisiken
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Frühere Wertentwicklungen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.
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