Sowohl die Europäische Zentralbank als auch die US Federal Reserve haben die Zinsen in den vergangenen 18 Monaten mehrfach angehoben, allerdings mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Warum das so ist, erläutern wir in diesem Artikel.
In den USA – dem größten Aktienmarkt der Welt – sind die Kurse seit ihrem Tiefpunkt Mitte Oktober 2022 um mehr als 20% gestiegen.1 Seit dem Pandemietief vom März 2020 haben sie sich sogar ungefähr verdoppelt.2 Ausmaß und Tempo der Kurssteigerungen reichen aus, um bei vorsichtigen Anlegerinnen und Anlegern die Frage nach der weiteren Entwicklung der US-Aktienmärkte zu wecken.
Analysen von Vanguard deuten auf Potenzial im Value-Segment hin, also bei Aktien, die im Verhältnis zu ihrem Unternehmens- oder Buchwert vergleichsweise günstig bewertet sind, niedrigere erwartete und historische Wachstumsraten ausweisen und relativ hohe Dividenden ausschütten.
Das Verhältnis zwischen Value- und Growth-Aktien ist extrem – und sehr ähnlich dem des Jahres 2020. Genau wie damals ziehen heute Growth-Aktien und insbesondere Technologie-Unternehmen Anlegerinnen und Anleger in Scharen an; Substanzwerte, darunter Finanz-, Industrie- und Gesundheitsunternehmen, sind dagegen kaum gefragt.
Die nachstehende Grafik zeigt unsere Fair-Value-Schätzungen für US-Value-Aktien im Verhältnis zu Growth-Aktien. Übersteigt das historische Verhältnis die Obergrenze unserer geschätzten Fair-Value-Spanne, deutet dies auf höheres Mehrrenditepotenzial bei Growth-Aktien hin. Im umgekehrten Fall erscheinen Value-Aktien attraktiver.
US-Value-Aktien scheinen unterbewertet, selbst in dem Fall, dass ihr relativer Wert langfristig sinkt.
Aggregiertes Kurs-Buchwert-Verhältnis von Value-Aktien dividiert durch das aggregierte Kurs-Buchwert-Verhältnis von Growth-Aktien.
Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Erträge. Die Wertentwicklung eines Index ist keine exakte Darstellung einer bestimmten Anlage, da Anlegerinnen und Anleger nicht direkt in einen Index investieren können.
Anmerkungen: Um die Wertentwicklung investierbarer Value- und Growth-Portfolios analysieren zu können, haben wir kapitalgewichtete Indizes von Unternehmen aus dem unteren und oberen Drittel des Russell 1000 Index erstellt, die wir nach Kurs-Buchwert-Verhältnis sortiert haben. Die Indizes wurden monatlich neu zusammengesetzt. Die Bewertungsrelation wird anhand eines Vektor-Fehlerkorrekturmodells (VECM) hochgerechnet, das die statistische Beziehung zwischen kointegrierten Zeitreihen beschreibt. Das VECM ist ein dynamisches Modell der ersten Differenzen der in der kointegrierenden Regression verwendeten Variablen, das einen Ungleichgewichtsterm zur Korrektur von Abweichungen vom langfristigen Gleichgewicht enthält.
Quellen: Vanguard (Methodik und Berechnungen auf Grundlage von Daten von FactSet Research Systems) und das National Bureau of Economic Research (für Daten zu US-Rezessionen). Monatliche Daten in US-Dollar für den Zeitraum 31. Januar 1979 bis 30. Juni 2023.
Die Grafik zeigt die Mehrrenditen von Value-Aktien gegenüber Growth-Aktien nach drei ihrer extremsten Bewertungsniveaus:
Die Kurse von Vermögenswerten können über längere Zeiträume erheblich von ihrem vermuteten Fair Value abweichen. Diese Tatsache ist bekannt und wird von unserer Grafik bestätigt. Die Abweichungen vom Fair Value und die künftigen relativen Renditen stehen jedoch über fünf und zehn Jahre in einem umgekehrten und statistisch signifikanten Verhältnis zueinander.
Seit der Veröffentlichung unseres Wirtschafts- und Marktausblicks 2023 ist unsere Prognose für die 10-Jahres-Mehrrenditen von US-Value-Aktien gegenüber US-Growth-Aktien um mehr als 1 Prozentpunkt auf 3,8 Prozentpunkte (annualisiert) gestiegen.4
Der Grund ist das Comeback von Growth-Aktien in diesem Jahr: Nach einer Erholung von Value- gegenüber Growth-Aktien in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 und 2022 blieben Value-Aktien in diesem Jahr im gesamten Kapitalisierungsspektrum des US-Marktes hinter Growth-Aktien zurück. Der Russell 3000 Growth Index beispielsweise wies zum 31. Juli 2023 eine jährliche Rendite von 32% aus und übertraf damit die Rendite des Russell 3000 Value Index um mehr als das Dreifache (9%).
Auch die Marktentwicklung während der zwölf US-Konjunkturzyklen seit 1980 gibt Value-Anlegerinnen und -Anlegern Grund zum Optimismus.
In wirtschaftlichen Erholungsphasen haben sich Value-Aktien in der Vergangenheit tendenziell besser entwickelt. Wenn man also davon ausgeht, dass der Federal Reserve eine weiche Landung gelungen ist – dass wir also eine Rezession vermeiden werden und als Nächstes ein Aufschwung kommt –, dann spricht umso mehr für eine Value-Allokation als Teil eines ausgewogenen Portfolios.
Bisher waren Aufschwünge meist gutes Terrain für Value-Aktien
Durchschnittliche monatliche Mehrrendite von Value-Aktien gegenüber Growth-Aktien in verschiedenen Wirtschaftszyklen
Wirtschaftslage | Value-Kurse über dem Fair Value | Value-Kurse unter dem Fair Value | Durchschnittlicher Value-Renditevorteil |
Wachstum | -0,06% | 0,09% | 0,00% |
Abschwung | -0,54% | 0,43% | -0,05% |
Rezession | -0,28% | -0,01% | -0,12% |
Erholung | 0,12% | 0,34% | 0,23% |
Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Erträge. Die Wertentwicklung eines Index ist keine exakte Darstellung einer bestimmten Anlage, da Anlegerinnen und Anleger nicht direkt in einen Index investieren können.
Anmerkungen: Der Begriff „Wirtschaftslage“ beschreibt den Zustand des Leading Economic Index (LEI) des Conference Board. Liegt der LEI über dem Trend und steigt, wächst die Wirtschaft; liegt der LEI über dem Trend und sinkt, nimmt das Wachstum ab; liegt der LEI unter dem Trend und sinkt, schrumpft die Wirtschaft; liegt der LEI unter dem Trend und steigt, erholt sich die Wirtschaft.
Quellen: Berechnungen von Vanguard auf Grundlage von Daten des Conference Board. Monatsdaten in USD für den Zeitraum vom 1. Februar 1979 bis zum 30. Juni 2023.
Natürlich ist der Konjunkturzyklus allein kein zuverlässiges Signal für Renditedifferenzen zwischen Value und Growth. Wie aus der Tabelle hervorgeht, hatten Value-Aktien jedoch in der Vergangenheit in allen Wirtschaftsphasen mit Ausnahme von Rezessionen immer dann einen Vorsprung, wenn sie unterhalb ihres Fair Value gehandelt wurden – so wie heute. Und selbst in Rezessionsphasen betrug der Rückstand auf Growth-Aktien lediglich 0,01%.
In einem global diversifizierten Portfolio kann ein kontinuierliches Value-Exposure dazu beitragen, die niedrigeren Renditen auszugleichen, die wir in den nächsten zehn Jahren in anderen Segmenten der Aktienmärkte erwarten.
In einem anhaltend unsicheren Marktumfeld können Portfolios, die sowohl nach Assetklasse als auch nach Sub-Assetklasse hochgradig diversifiziert sind, gegen zyklische Schwankungen und Sektorrotationen schützen – langfristig und in jedem Markt.
Anmerkungen:
1 Gemessen an der Veränderung des Marktwerts des S&P 500 Index zwischen dem 12. November 2022 und dem 18. August 2023. Berechnung in USD
2 Gemessen an der Veränderung des Marktwerts des S&P 500 Index zwischen dem 23. März 2020 und dem 18. August 2023. Berechnung in USD.
3 Unsere Unsere Prognose bezieht sich dabei auf Stilfaktoren, also quasi auf „reine“ Value- und Growth-Portfolios. Diese unterscheiden sich sowohl von den akademischen Value- und Growth-Definitionen von Fama und French als auch von den stilspezifischen Marktindizes, die als Benchmark für viele reale Portfolios verwendet werden.
Nach der akademischen Definition des Begriffs „Value“ müssten Anlegerinnen und Anleger die teuersten Aktien leerverkaufen – was die meisten in der Praxis kaum tun dürften. Bei einem Leerverkauf leiht man sich eine Aktie und verkauft sie dann in der Erwartung sinkender Kurse. Fällt der Kurs, kann der Anleger die Aktien zu einem niedrigeren Preis zurückkaufen und an den Besitzer zurückgeben. Die Differenz ist sein Gewinn. Steigt der Preis jedoch, erleidet der Anleger Verluste. Die Aufsichtsbehörden schränken Leerverkäufe allerdings ein.
Indizes von FTSE Russell bilden die Wertpapierauswahl der aktiven Manager zweifellos gut ab, das macht sie jedoch nicht zu einem guten Näherungswert der eigentlichen Stilfaktoren. So sind etwa 30% der Russell 1000 Indexkomponenten sowohl im Growth- als auch im Value-Index enthalten, die restlichen 70% gelten dagegen als reine Growth- oder reine Value-Aktien. Aus unserer Ansicht sollte eine Aktie, die einen Stilfaktor darstellen soll, zumindest für die Zwecke einer Analyse nur einem Stil zuweisbar sein. In unserem Modell werden Unternehmen zu einem beliebigen Zeitpunkt immer nur einem Stil zugeordnet, im Laufe der Zeit kann sich die Klassifizierung jedoch ändern.
4 Auf Grundlage der Renditeprognosen für US-Value- und US-Growth-Aktien im Vanguard Wirtschafts- und Marktausblick 2023 und unseren aktuellsten Prognosen im Vanguard Marktbericht für August 2023. In absoluten Zahlen prognostizieren wir für US-Value-Aktien in den kommenden zehn Jahren eine annualisierte Rendite von 5,6%.
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