Sprachausgabe: In unserem Jahresausblick 2025 haben wir erläutert, warum die höheren Zinsen anhalten dürften. Und wir haben auf die wachsenden Spannungen zwischen möglicher Konjunkturentwicklung und teuren Bewertungen am US-Aktienmarkt hingewiesen. Die geopolitischen Ereignisse verdienen genaue Beobachtung, doch tatsächlich waren Zollrisiken in diesem Jahr bisher die wichtigsten Impulsgeber für Wirtschaft und Märkte.
Kevin Khang: Die Zollverhandlungen waren sowohl in den USA als auch weltweit viel entscheidender für die konjunkturellen Aussichten und dürften sich in der zweiten Jahreshälfte sowohl in den Wachstums- als auch in den Inflationszahlen niederschlagen. Wir werden besonders sorgfältig zwischen Signal und Rauschen in den voraussichtlich sehr volatilen Zahlen unterscheiden müssen.
Voiceover: Jenseits der Zölle sehen wir zwei Entwicklungen, die Märkte und Wirtschaft in den kommenden Jahren nachhaltig prägen dürften.
Kevin Khang: Wir beobachten zwei wichtige Trends, nicht nur kurz-, sondern auch längerfristig: Steigenden Haushaltsdefizite, die auf Dauer untragbar werden. Und steigende Produktivitätsgewinne durch die Verbreitung von künstlicher Intelligenz, die in der gesamten Wirtschaft Fuß fasst. Wir erwarten einen intensiven Wettstreit zwischen diesen Kräften, gewissermaßen ein Tauziehen, das die US-Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren prägen wird.
Voiceover: In Europa beeinflussen neue Ausgabenpläne, insbesondere für die Verteidigung, die kurzfristigen und vielleicht sogar die langfristigen Wachstumsaussichten positiv.
Kevin Khang: Kurzfristig wird von den Plänen, wenn sie tatsächlich umgesetzt werden, ein Wachstumsimpuls ausgehen, sodass die Wirtschaft stärker wachsen könnte als wir andernfalls erwartet hätten. Zudem könnten sie den Kern eines selbsterzeugten Produktivitätswachstums bilden, denn Verteidigungsausgaben und -investitionen können potenziell auch an anderer Stelle das Produktivitätswachstum erhöhen.
Voiceover: Wir weisen schon seit einiger Zeit darauf hin, dass die Zinsen seit der Pandemie gestiegen sind. Anlegerinnen und Anleger sollten daher anders über Anleiherenditen nachdenken.
Kevin Khang: Anstatt aggressive Kurssprünge durch sinkende Zinsen zu erwarten, sollten sie davon ausgehen, Renditen überwiegend durch Zinszahlungen und die Wiederanlage dieser Erträge zu höheren Zinssätzen zu erzielen.
Voiceover: Wir blicken weiterhin skeptisch auf die Bewertungen von US-Aktien.
Kevin Khang: US-Aktien sind seit einigen Jahren teuer. Anlegerinnen und Anleger, die bereits investiert sind, wird das freuen. Hohe Bewertungen belastet jedoch auch die Prognosen, denn hohe Kurse bedeuten im Allgemeinen niedrigere zukünftige Renditen.
Voiceover: Für deutliche Kursgewinne am US-Aktienmarkt müssten aus unserer Sicht zwei Dinge geschehen: Die Unternehmensgewinne müssten weiterhin massiv steigen. Und Anlegerinnen und Anleger müssten bereit sein, für diese Gewinne einen höheren Preis zu zahlen.
Kevin Khang: Beides wäre außergewöhnlich – und ziemlich unwahrscheinlich. Insgesamt zeigt sich hier, dass Diversifizierung jenseits der technologielastigen US-Aktien sinnvoll ist. Anlegerinnen und Anleger sollten ein US-Portfolio um weniger teure Aktien ergänzen.